Von Professor Tony Attwood und Dr. Michelle Garnett – Übersetzung: Mirjam Weltin für Fachverband PDA Deutschland
Das pathologische Vermeiden von Anforderungen (PDA) zeichnet sich durch ein extremes Vermeiden von alltäglichen Anforderungen, wie dem Anziehen einer Jacke, um nach draußen zu gehen oder der täglichen Hygiene, wie z.B. Duschen, aus. PDA wird von den meisten medizinischen Fachpersonen und Forschenden als ein Profil im Autismus-Spektrum angesehen und tritt meistens zusammen mit ADHS auf. Einige medizinische Fachkräfte glauben, dass eine Zurückweisungsempfindlichkeit typischerweise ebenfalls Teil des Gesamtbildes ist. Das extreme Vermeiden von Anforderungen, welches ein Kennzeichen dieses Profils ist, scheint von dem starken Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle um jeden Preis sowie durch große Angst gesteuert zu sein. Im Alltag einer autistischen Person gibt es jede Menge Anforderungen, wie z. B. „beeile dich, komm her, sei leise, iss dein Frühstück, schau mich an, wenn ich mit dir rede“.
Der Großteil der aktuellen Forschung zu PDA hat sich darauf fokussiert, was PDA ist, wie es sich von Autismus ohne PDA und Angststörungen unterscheidet und wie PDA festgestellt werden kann. Dabei wurde wenig Fokus auf die Art der Anforderungen gelegt, die Stress auslösen. Unsere klinische Erfahrung geht davon aus, dass zusätzlich zu den offensichtlicheren Anforderungen, die verborgenen Anforderungen in den alltäglichen Interaktionen und die inneren und körpereigenen Anforderungen zu großer Angst und Überreizung führen und damit letztendlich zur Vermeidung. Verborgene Anforderungen können auch darin bestehen, dass jemand vermutet, zu wissen, was die Person mit PDA mag, gelobt zu werden oder Belohnungen zu erhalten, oder auch die Person mit PDA zu bitten, etwas zu tun, was sie vorher selbst entschieden hat zu tun. Innere Anforderungen können das Bedürfnis nach Essen, Schlaf oder zur Toilette zu gehen sein.
Verborgene Anforderungen
Annahmen
Wenn jemand vermutet, zu wissen, was eine Person mit PDA mag oder möchte, kann es sich für die Person mit PDA anfühlen, als ob ihnen gesagt werden würde, was sie zu möchten haben und somit, als ob eine andere Person ihre Entscheidungen, Gedanken und Gefühle kontrolliert. Die Person mit PDA muss ihre eigenen Entscheidungen treffen, um das Gefühl der Kontrolle zu bewahren, um ihre Wahrnehmung der Selbstbestimmung über ihr Leben zu verbessern und somit ihre Angst zu reduzieren.
Was helfen könnte…
• Der Person mit PDA die Entscheidung zu lassen, was sie tut, wann oder wie sie es tut.
• Die Sichtweise der Person mit PDA verstehen und die Notwendigkeit der Autonomie anerkennen.
• Die Person mit PDA fragen, was sie mag, was sie nicht mag und was ihr am liebsten wäre, da sich das von Tag zu Tag ändern kann.
• Für die Person mit PDA: Erklären, dass die eigenen Vorlieben und was gemocht oder nicht gemocht wird, von Tag zu Tag unterschiedlich sein können.
Lob
Gelobt zu werden, kann dazu führen, dass eine Person mit PDA sich unter Druck gesetzt fühlt, die gleiche Sache auf die gleiche Art und Weise wiederholen zu müssen, und möglicherweise ist sie sich nicht sicher, ob sie das kann. Lob kann als Versuch der aufgedrängten Fremdkontrolle wahrgenommen werden. Aus unserer Erfahrung empfinden viele Personen mit PDA Lob als etwas, das sie vermeiden wollen.
Was helfen könnte…
• Für die Person, die loben möchte: Erklären, dass man lobt, damit die gelobte Person sich gut fühlt. Fragen, ob es ein Lob gibt, das die zu lobende Person gerne hören würde.
• Für die Person mit PDA: Zur lobenden Person sagen: „Danke, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das noch einmal so machen könnte.“
Belohnungen
Belohnungen sind möglicherweise nicht so effektiv wie erwartet, da Belohnungen den Druck und die Erwartungshaltung steigern, wodurch die Aufgabe sich noch schwerer und überwältigender anfühlt und die Leistungsangst steigt.
Was helfen könnte…
• Für die Person mit PDA: Erklären, dass die Belohnung zu einem Gefühl von Druck führt und darum bitten, dass sie nicht belohnt wird.
• Eine Aufgabe zu schaffen, kann Belohnung genug sein.
• Für die Person, die gerne belohnen würde: Fragen, ob eine Belohnung hilfreich sein könnte, und wenn ja, welche Art der Belohnung?
Eine Anforderung stellen, wenn die Person schon selbst entschieden hatte, die Aufgabe zu erledigen.
Wenn jemand einer Person mit PDA sagt, dass sie etwas tun soll, was sie schon selbst vorhatte, zu tun, kann das Gefühl einer auferlegten Anforderung und damit ein Verlust der Autonomie entstehen. Das kann dazu führen, dass die Person aufhört, die Aufgabe zu erledigen. Das führt zu Stress bei der Person mit PDA und zu Verwirrung bei der Person, die darum gebeten hat, dass etwas erledigt werden soll.
Was helfen könnte…
• Für die Person mit PDA: Anderen Personen erklären, wie wichtig es für eine Person mit PDA ist, mitzuentscheiden, was als nächstes passiert.
• Für die Person, die um etwas bittet: Die Sichtweise der Person mit PDA verstehen und die Kommunikation anpassen, damit Angst und Druck bei der Person mit PDA nicht aufkommen.
Innere Anforderungen
Innere Anforderungen sind innere Vorgänge, die Gedanken unterbrechen und ein Handeln erfordern. Zum Beispiel, sich hungrig oder durstig zu fühlen und deshalb etwas essen oder trinken zu müssen. Ebenso schlafen oder zur Toilette gehen müssen, können Anforderungen sein. Diese Anforderungen werden vom Körper gestellt und können zeitweise als genauso Stress-auslösend wie äußere Anforderungen wahrgenommen werden.
Was helfen könnte…
• Die Anforderungen des Körpers priorisieren und entscheiden, wann auf sie eingegangen wird.
• Den Körper als Teil der Selbstidentität sehen.
• Zu wissen, dass der Körper es verdient, gut behandelt zu werden. So, als wäre er ein guter Freund.
Ressourcen:
Anlaufstelle Information und Beratung: FAPDA (Fachverein PDA-Autismus-Profil) https://pda-autismus-verein.org/
Bücher:
Ein glücklicheres Leben für dein Kind mit PDA von Alice Running.
Zirkus im Kopf von Liv Cadler/Saskia S. Neu
Quelle:
Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Tony Attwood und Dr. Michelle Garnett: https://attwoodandgarnettevents.com/category/attwood-and-garnett-blog/